Preisträger
Am 09. Februar 2010 wurde der BDA Preis Bayern im festlichen Rahmen in der Neuen Maxburg in München zum 21. Mal verliehen. Der vom Bund Deutscher Architekten ausgelobte Preis ist einer der renommiertesten Architekturpreise landesweit. Ausgezeichnet werden bemerkenswerte Werke zeitgenössischer Architektur und das erfolgreiche Zusammenwirken von Bauherr und Architekt. Innenminister Joachim Herrmann dankte in seinem Grußwort dem BDA für sein Engagement und würdigte den Preis als den „Oscar der Architektur in Bayern“.
Aus 110 eingereichten Arbeiten traf die Jury, die sich beim BDA Preis 2010 aus Architekturexperten aus der Schweiz zusammensetzte, eine Auswahl von je drei Objekten in sechs Kategorien. Aus diesen Kategorien wurden in einem demokratischen Abstimmungsverfahren durch die BDA Mitglieder in Bayern die Preisträger ermittelt. Darüber hinaus wurde ein Jurypreis und je einen Sonderpreis für soziales Engagement und Ökologie und Nachhaltigkeit verliehen. Einige Projekte wurden so gleich zweimal prämiert: einmal innerhalb ihrer Kategorie und darüber hinaus mit einem Sonderpreis. In Kooperation mit sueddeutsche.de wurde auch der breiten Öffentlichkeit über eine online- Abstimmung wieder die Möglichkeit geboten, ein Urteil über die nominierten Projekte abzugeben. Das Projekt, welches in diesem Verfahren die meisten Stimmen erhalten hat, wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Aus den 18 nominierten Projekten wurden folgende Bauten mit dem BDA Preis ausgezeichnet:
Beurteilung der Jury:
Ein altes Bauernhaus im Bayerischen Wald, nahe Viechtach inmitten von Wald und Wiesen gelegen, stand seit 1974, dem Todesjahr der letzten Bäuerin Cilli Sigl, leer. Ignoranz und mangelnde Wertschätzung gegenüber den baulichen Zeugnissen einer alten, ärmlichen Zeit haben im Bayerischen Wald zum Verlust der architektonischen Tradition geführt – die Region wird mit folkloristischen Häusern verbaut, und Platz für das Alte findet sich beinahe nur noch in Museumsdörfern. Gegen diese Verödung wollte die neue Eigentümerin gemeinsam mit dem Münchner Architekten Peter Haimerl ein Zeichen setzen. Das Konzept beruhte darauf, den Bestand — wie ruinös auch immer er sein mochte — zu wahren und in die Struktur des alten Bauernhauses «Cilli» minimal einzugreifen. Die Räume des Altbaus blieben wie sie waren, es wurde kaum Bestehendes entfernt – das galt für die Fenster, den alten Putz, die Bodenfliesen und andere Einbauten. Musste doch etwas aus dem Bestand entfernt werden, so entstanden aus dem recycelten Material Möbel. In vier zentralen Räumen wurden Betonkuben platziert, in denen das neue Leben stattfindet: Stube, Küche und Bad im Erdgeschoss, das Schlafzimmer im Obergeschoss. Diese Kuben wurden aus wärmedämmendem Sichtbeton geschalt; der Zuschlag aus Blähglas ist eine Anspielung auf eine im Bayerischen Wald anzutreffende geologische Formation, die als «Quarzkeil» die Landschaft unterirdisch durchzieht. Die neuen Kuben verdecken indes nicht das Alte, sondern machen es durch rahmenartige Öffnungen in Wänden, Boden und Decke gleichsam bildhaft sichtbar. So ergeben sich Blicke auf die historischen Wände mit ihren alten Holzfenstern, auf den Lehmboden oder – mittels der Aussparungen in der Decke, die mit Klappen geschlossen werden können – in den Dachstuhl. Alle Kuben sind mit Fußbodenheizung versehen, die über einen Kamin in Gang gesetzt wird; analog zum Wohnen in alten Bauernhäusern wird winters der Wechsel zwischen den beheizten Stuben und dem kalten Hüllraum erlebbar. Voraussetzung für diese Strategie war es, nicht das gesamte Raumvolumen einer ganzjährigen Nutzung zu unterwerfen. Wie hier mit Geschichte und Tradition umgegangen wurde, erachtet die Jury als vorbildlich. Reparatur und subtile Intervention führen zu einem spannungsvollen Dialog zwischen Alt und Neu – voller Charme und Poesie. Wie ein Gefäß umhüllt, stützt und schützt der Bestand die puristischen und doch sinnlichen Einbauten – ein Gedanke, der seinen Ausdruck im Namen des Projekts findet: «Birg mich, Cilli!»
Beurteilung der Jury:
Im Ortskern von Frauenau, einem historischen Zentrum der Glasindustrie, entstand ein Mehrgenerationenhaus zum Wohnen und Arbeiten auf dem rückwärtigen Teil eines schon bebauten Grundstücks. Über der betonkernaktivierten Stahlbetonplatte wurde das Volumen als hoch gedämmte Holzkonstruktion errichtet. Dach und Fassaden sind mit transluzenten Wellplatten verkleidet, hinter denen die OSB-Platten-Verkleidung der Wände sichtbar bleibt. Durch Hinterleuchtung wird das Haus nachts zur gläsernen Laterne und erinnert an die lokale Tradition der Glasmacher. Mit seiner schlichten Form und den unprätentiösen Materialien bezieht es sich zudem auf die Scheunen- und Wirtschaftsbauten ringsum. Eine überdeckte Pufferzone vor dem Eingang fungiert als Wetterschutz. Die zum vorgelagerten Garten hin orientierte Südfassade ist zwecks passiver Energiegewinnung vollständig verglast und lässt sich im Sommer großflächig aufschieben, während die Fenster sonst klein gehalten sind. Der eigentliche räumliche Luxus besteht in der großen, doppelgeschossigen Halle unter dem Pultdach, an die sich auf der Nordseite eine zweigeschossige Raumflucht anschließt: unten Wohnraum, Küche und Bad, oben – über eine Wendeltreppe zu erreichen – weitere drei Zimmer, die als Wohn- oder Büroräume genutzt werden können. Schiebetüren und Einbauschränke optimieren die Ausnutzung des Raums. Während die Räume zu heizen sind, fungiert die unbeheizte Halle gleichsam als Sommerwohnzimmer. Im Winter ziehen sich die Bewohner dann in die kleineren Räume im Norden zurück. Das Haus in Frauenau ist nach Meinung der Jury ein hervorragendes Beispiel für ein ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen – fern von jeder kitschigen Öko-Ästhetik. Beheizung und Warmwasserbereitung erfolgen über Sonnenkollektoren sowie bei Bedarf durch einen zusätzlichen Heizkessel. Der Heizenergiebedarf liegt bei ungefähr einem Raummeter Stückholz – so viel, wie pro Jahr im Garten anfällt.
Beurteilung der Jury:
Nordöstlich der Innenstadt von Ingolstadt entsteht an der Nürnberger Straße ein Wohnquartier der Gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft, dessen erster Bauabschnitt 23 alten- und behindertengerechte Wohnungen umfasst. Markant ist die Straßenfassade mit ihren geschosshohen Aluschiebeläden, deren Farbigkeit von den ICEs der unmittelbar benachbarten ICE-Trasse inspiriert ist. Sie dienen als Schall- und Sonnenschutz; außerdem entsteht durch das Wechselspiel der Ladenstellungen von Wohnung zu Wohnung ein überaus lebendiges Bild im Stadtraum, das sich im Lauf des Tages und im Zyklus der Jahreszeiten wandelt. Auf der Hofseite gliedert sich die Fassade in verschiedene Bereiche: Massive Brüstungen sorgen an den Wohnungseingängen für ein Gefühl der Sicherheit, durchsichtige Geländer ermöglichen den Blick aus den Küchen in den Hof. Durch den Einsatz von Betonfertigteilen an Laubengängen und Balkonen wurden sowohl ein zügiger Baufortschritt als auch eine hohe Wirtschaftlichkeit der Konstruktion erzielt. Die Jury überzeugte die Klarheit des architektonischen Konzepts mit seiner Laubengangerschließung und den zur Straße orientierten Balkonbereichen, aber auch die reduzierte und überdies kostengünstige Materialisierung. Die nahe gelegene Sozialstation der Arbeiterwohlfahrt und der damit verbundene Vorteil, deren Versorgungseinrichtungen und Betreuungsdienste mit nutzen zu können, unterstützt die Möglichkeit betreuten Wohnens. Die Erschließung des Gebäudes und der Wohnungen folgt den Vorgaben des barrierefreien Bauens und der Wirtschaftlichkeit. Der Einsatz von Einzelraumlüftern bei sehr hohem Dämmstandard sorgt für Frischluftqualität auch bei geschlossenen Fenstern.
Beurteilung der Jury:
In den letzten Jahren wurde der Zugangsweg vom Parkplatz zur KZ-Gedenkstätte Dachau neu gestaltet. In diesem Zusammenhang entstand auch ein Besucherzentrum, das nicht als Haus im klassischen Sinne, sondern als Ort zu verstehen ist. Angeregt durch die großzügige und dennoch selbstverständliche und gelassene landschaftliche Gestaltung des neuen Zugangbereichs wurde darauf verzichtet, das Gebäude direkt an oder auf den Gehbereichen anzuordnen. Ganz bewusst wurden städtebauliche Bezüge zur umliegenden Bebauung und zur ehemaligen Lagerarchitektur vermieden. Vielmehr fügt sich das Gebäude wie selbstverständlich in die neue Zugangssituation ein und orientiert sich in seiner Lage eher an der Geometrie des Gehbereichs und den vorhandenen Bäumen. Langfristig gesehen wird das Gebäude zu einem integralen Bestandteil der Gehölzgruppe. Das Problem, trotz der Lage an zwei verschiedenen Erschließungswegen einen eindeutigen Eingangsbereich formulieren zu müssen, wird mittels eines gemeinsamen Eingangshofs gelöst, der auch zum Verweilen einlädt. Von hier aus hat man direkten Zugang zum Foyer mit Informationsbereich und Audioguide-Ausgabe, außerdem zum Buchladen und zur Cafeteria. Das Erscheinungsbild des Gebäudes wird von zwei quadratischen Platten aus sandgestrahltem Sichtbeton bestimmt, einer Sockelplatte und einer Dachplatte, die von einer Vielzahl von Vollholzstützen aus sägerauer Douglasie mit silbrig grauer Lasur getragen wird. Längs- und Querwände im Innern steifen die Konstruktion aus. Der Raumabschluss wird überwiegend durch großformatige Verglasungen gebildet. Durch den breiten Dachüberstand und die dichte Stellung der unterschiedlich geneigten Stützen wird kein zusätzlicher Sonnenschutz benötigt. Mehrere kleine Innenhöfe perforieren das Gebäude und sorgen für natürliche Belichtung und Belüftung sowie ein angenehmes Klima im Inneren des Gebäudes. Die Atmosphäre im Gebäude wird ganz wesentlich vom Spiel aus Licht und Schatten, das durch die leichte Schrägstellung der Stützen entsteht, und durch die Dialektik der sägerauen Wandoberflächen im Kontrast zu den glatten, matt glänzenden Böden und Deckenuntersichten geprägt. Die Jury schätzt den unprätentiösen, aber sensiblen Charakter dieses pavillonartigen Bauwerks. Vor und nach dem Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte steht den Besucherinnen und Besuchern ein geeigneter Ort zur Verfügung, etwas Ruhe zu finden.
Beurteilung der Jury:
Hohenbercha liegt nordöstlich von München am Rande des Ampertals in einer landwirtschaftlich geprägten Umgebung. Bei der Tafernwirtschaft Hörger handelt es sich um ein stattliches Gebäude, das aus einem Dreiseithof des frühen 19. Jahrhunderts gleichsam herausgewachsen ist und mit dem vorgelagerten Biergarten ein beliebtes Ausflugsziel darstellt. Durch das «Biohotel im Apfelgarten» konnte die Zahl der Zimmer von vier auf 25 erhöht werden. Der zweigeschossige Neubau, im rechten Winkel zur bestehenden Gastwirtschaft stehend, befindet sich an der östlichen Kante des Grundstücks und folgt mit seiner leichten Dachneigung dem sanft abfallenden Terrain des Obstgartens. Über einer Bodenplatte aus Beton wurde das Hotel als präfabrizierter Holzelementbau aus Zirbenholz erstellt. Offene Laubengänge im Osten dienen der Erschließung, während Fenster auf der Westseite den Blick in den Garten gewähren. Die Hotelzimmer, gleichsam neben- und übereinander gestellte Holzboxen, sind ebenfalls mit Zirbenholz ausgekleidet und mit formal reduzierten Holzmöbeln ausgestattet, sodass sich eine warme und klare, aber nicht minimalistische Atmosphäre ergibt. Die Jury lobte die ressourcenschonende Bauweise mit nachwachsenden Rohstoffen; das Biohotel zeigt, wie zeitgemäßes nachhaltiges Bauen auf dem Land jenseits von kitschiger Rustikalität oder vordergründiger Öko-Ästhetik aussehen kann. Wegweisend ist insbesondere das Energiekonzept: Während ein Biomassekraftwerk am Dorfrand das gesamte Anwesen mit Heizenergie versorgt, wird der Strom für den hoch gedämmten Neubau des Gästehauses durch Photovoltaikmodule auf der Dachfläche erzeugt. Die Erwärmung des Brauchwassers erfolgt über Wärmetauscher, welche die Küchenabluft und die Abwärme der Kühlanlage ausnutzen. Durch die Nachtlüftung im Sommer konnte auf weitere Maßnahmen zur Kühlung verzichtet werden. Die Tafernwirtschaft Hörger ist ein florierendes Unternehmen, welches beweist, dass ökologisches Verständnis und wirtschaftlicher Erfolg keinen Widerspruch darstellen müssen. So wie man auf der Speisekarte auf biologische Produkte zertifizierter Erzeuger aus der Region setzt, war auch für die Architekten der Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen selbstverständlich. Gleichwohl: Die meisten Gäste der Gastwirtschaft reisen mit dem Automobil an. Und so ist es auch kein Wunder, dass Struktur und Erschließung des Gästehauses an ein klassisches Motel erinnern.
Beurteilung der Jury:
Seit 1922 ist Garmisch-Partenkirchen als einer der Austragungsorte des Neujahrsspringens im Rahmen der Vierschanzentournee weltberühmt. Weil das Schanzenprofil der alten Schanzenanlage aus den Fünfzigerjahren nicht mehr den Regularien der FIS (Fédération Internationale de Ski) entsprach, wurde 2006 ein internationaler Wettbewerb ausgelobt. Gegenüber der internationalen Prominenz konnte sich der Entwurf des Münchner Büros terrain:loehnhart&mayr durchsetzen.
Beim Entwurf der Schanze haben sich die Architekten von der örtlichen Topografie inspirieren lassen. Die sanft geschwungenen Linien der auslaufenden Bergkette finden sich in der verbindenden Linienführung der neuen Schanzenanlage wieder. Ziel war eine skulptural wirkende Architektur, welche auf die Topografie reagiert, aber dennoch als Sportmaschine verstanden werden kann. Assoziationen zum Skisprungsport waren erwünscht: Der Skisprung als sportliche Überwindung der Gravitation findet mit der frei schwebenden Schanze ein architektonisches Zeichen. Die Mischung aus Funktionalität und Skulpturaliät fand den Beifall der Jury. Die neue Schanzenanlage verdichtet die verschiedenen Funktionsbereiche einschließlich Anlaufturm, Andienung, Zugängen und Aufsprungbauwerk zu einer dynamischen Gesamtform. So finden sich unter dem überhöhten Schanzentisch außer den Athleten- und Nebenräumen die Aufzugs- und Schanzentechnik der Anlage. Von dort gelangen Springer, Betreuer, Presse und Besucher über die 332 Stufen der «Himmelsleiter» in den über 100 Meter langen Anlaufturm. Alternativ führt der neu entwickelte Schrägaufzug zu den drei Ebenen des Schanzenkopfes. Dort oben finden sich neben dem Ruheraum für die Springer auch Technikbereiche für das Fernsehen. Am höchsten Punkt gelangt man in 62 Metern Höhe auf eine Aussichtsplattform, die auch außerhalb der Skisaison einen atemberaubenden Blick in die Alpenlandschaft ermöglicht. Eine weitere Neuheit stellt die Konstruktion der Anlaufspur dar, die einen witterungsunabhängigen Winterbetrieb auch bei geringem Schneevolumen sowie mit einer zusätzlichen Kunststoffspur den Sommerbetrieb ohne komplizierten Umbau erlaubt. Das gesamte Anlaufbauwerk ist mit transluzenten Polycarbonatplatten bekleidet, deren Wirkung sich je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen ändert. Abends von innen beleuchtet, wird der Anlaufturm zur leuchtenden Skulptur, weithin sichtbar im Talraum Garmisch-Partenkirchen.